Kurz vor den Sommerferien stattete Arne Friedrich der Hemingway-Oberschule in Berlin Mitte einen Besuch ab. Täglicher Antrieb der Lehrerinnen und Lehrer der integrierten Sekundarschule ist es, jede Schülerin und jeden Schüler einen bestmöglichen Abschluss zu ermöglichen und somit auf das zukünftige Berufsleben vorzubereiten. Die Ausrichtung der Lerneinrichtung zwischen Berlins Nordbahnhof und dem Rosenthaler Platz liegt dabei im naturwissenschaftlichen und informationstechnischen Bereich. Die Schule ist aber auch Teil des Projekts ’Vielfalt gewinnt‘, das sich für Bildungsgerechtigkeit für Kinder einsetzt – unabhängig von Herkunft, Religion oder Verdienst der Eltern. Die gemeinsame Initiative der Bürgerstiftung Berlin und der Arne Friedrich Stiftung, engagiert sich mit diesem interkulturellen und diversitätssensiblen Bildungsprogramm an fünf Schulen in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen.

Bei seinem Besuch in der Schule traf sich Arne Friedrich zunächst mit Teilnehmenden der 'Vielfalt gewinnt‘-AG. Im Laufe des Gesprächs konnte er sich bei den Schülerinnen und Schülern über die laufenden Projekte der Gruppe erkundigen. Im Anschluss interviewte er die Sozialpädagogin Kimberly Pietsch und konnte weitere Einblicke in das Projekt und seine Fortschritte gewinnen.

AFS: Frau Pietsch, wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für die Schülerinnen und Schüler an Ihrer Schule?
Kimberly Pietsch: Wir sind eine Berliner Brennpunktschule im Bezirk Mitte. Die Schülerschaft zeichnet sich durch einen hohen Migrationsanteil aus. Viele der Schülerinnen und Schüler haben einen Förderstatus, was eine große Herausforderung darstellt. Wir haben das Glück, an der Schule mit zwei Schulsozialarbeiterinnen und zwei temporären Lerngruppen ausgestattet zu sein. Trotzdem mangelt es an Fachkräften, um die Schülerinnen und Schüler bedarfsgerecht fördern zu können.

AFS: Inwiefern hat die Corona-Pandemie diese Situation verschlimmert?
Kimberly Pietsch: Vor allem in der Zeit des schulisch angeleitenden Lernens zu Hause war sichtbar, wie dringend die Schülerinnen und Schüler unsere Unterstützung benötigen. In Folge dessen hat sich auch deutlich gezeigt, wie notwendig es ist, sie in digitaler Kompetenz zu schulen. Aus diesem Grund hat sich an unserer Schule eine Arbeitsgemeinschaft „Digitalisierung“ gegründet. Nach der Zeit im schulisch angeleiteten Lernen zu Hause wurden die Schülerinnen und Schüler in Halbgruppen im täglichen Wechsel unterrichtet. Es wurde sichtbar, dass die Schülerinnen und Schüler besser lernen konnten, da die Lernatmosphäre ruhiger war und die Lehrkräfte auf den Einzelnen besser eingehen konnten. Die Schülerinnen und Schüler haben mehrfach geäußert, dass die Beschulung in den Kleingruppen angenehmer ist und der Lernerfolg viel positiver ausfällt.

AFS: Was leiten Sie daraus ab?
Kimberly Pietsch: Die Berliner Bildungspolitik muss sich dringend an die Bedürfnisse der Kinder anpassen und auf die Bedürfnisse der einzelnen Schulen eingehen. Gerade wir als Schule im Brennpunkt stoßen auf andere Herausforderungen und benötigen andere personelle und materielle Ausstattung.

AFS: Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern haben mir viele erzählt, dass sie keine richtigen Hobbies haben. Woran könnte das liegen und beunruhigen Sie diese Aussagen?
Kimberly Pietsch: Teilweise schon. Zum einen dürfen wir nicht vergessen, dass sich der Medienkonsum deutlich gesteigert hat. Gaming und Netflix zählen nun Größtenteils zu den Hobbies der Kinder. Nach wie vor zählen die Kids ‘Freunde treffen‘ als beliebtestes Hobby auf. Sorge bereitet mir, dass nur wenige Kinder Sport treiben. Sie bewegen sich immer weniger, weshalb es vermutlich zu mehr gesundheitlichen Folgeschäden im Alter kommen kann. Auch wichtige Kompetenzen wie Teamfähigkeit oder Fairness, die im Sport vermittelt werden, werden dadurch weniger erlernt.

AFS: Was macht Vielfalt gewinnt so besonders?
Kimberly Pietsch: ‘Vielfalt gewinnt‘ bietet den Schülerinnen und Schüler einen geschützten Rahmen, in dem sensible Inhalte angesprochen und diskutiert werden können. Gerade als wir uns mit dem wichtigen Thema Rassismus beschäftigt haben, konnten die Kinder in diesem geschützten Rahmen von ihren Erfahrungen berichten. Durch die hohe kulturelle Vielfalt an unserer Schule profitieren wir voneinander und hatten einen spannenden Austausch zu den Herkunftsländern unserer Familien. Die ’Wir-AG‘ macht es möglich, über den eigenen Horizont hinauszublicken und sich vorurteilsfrei zu begegnen.

AFS: Und wie fällt das Feedback der Schülerinnen und Schülern zu diesem Projekt aus?
Kimberly Pietsch: Den Schülerinnen und Schülern hat die ’Wir-AG‘ vor allem gefallen, weil sie die Inhalte selber gestalten und sich jederzeit einbringen konnten. Gerade der Austausch mit bekannten Persönlichkeiten wie Zohre Esmaeli, Kaze Uzumaki oder Tina K. war ein echtes Highlight für die Kinder. Sie konnten aus diesen Austauschrunden viel für sich mitnehmen. Für jeden von uns hat ‘Vielfalt gewinnt‘ die Möglichkeit geschaffen, uns näher kennenzulernen und eine Menge Spaß zu haben.